Brief eines Gastarbeiters


Suleika meine liebe Frau!
Ich nix mehr arbeiten auf Bau,
Auch viele Kollegen schon entlassen,
doch Du nicht denken, dass sei Schlimm,
ich trotzdem froh und munter bin,
denn Allah hat mich nicht verdammt,
war gestern schon beim Arbeitsamt.

Weil ich noch ein Jahr Aufenthalt,
komm ich nach Hause nicht so bald.
Muss meiden noch Moschee und Tempel,
zeig Arbeitsamt Papier und Stempel.
Das ganze Arbeit – nix mehr bücken,
und kann noch immer Geld Dir schicken.

Hier scheint mir alles wie verhext,
brauch nur noch schlafen, Konto wächst.
Und ganz bestimmt bis nächsten Winter
zahlt Arbeitsamt noch Geld für Kinder.

Ich bin nun schon drei Jahre fort,
vielleicht, Du hast noch Kinder dort,
wo ich nicht weis, ist ganz egal,
Du musst nur melden bei mir die Zahl
und schnellstens schicken mir nach hier
von Amt beglaubigtes Papier.

Du sollst mal sehen, wie geht munter
Einkommen rauf und Steuer runter.
Heut Zahnarzt sagen ganz gewiss,
bis Montag hab ich neu Gebiss.
Vielleicht, wenn es ist Allahs Wille,
bis anderen Mittwoch neue Brille.
Das alles macht mir viel gut Spass,
weil alles zahlt die Krankenkass.

Wenn Ostern Oma kommt, will sehen
dass sie auch kriegt so schöne Zähn,
damit nicht warten muss bei Essen,
bis Opa fertig hat gegessen,
weil es doch immer besser ist,
hat jeder eigenes Gebiss.

Wir sind hier kleine Kolonie,
und spielen Karten oft bis früh.
Oh – Deutschland schönstes Land der Welt!
Nix Arbeit und viel Stempelgeld.

Ich wohn im Altbau noch ganz nett,
mit Wasser, Strom und Plumpsklosett.
Ist Zimmerchen auch ziemlich klein,
fühl ich mich wohl, so wie daheim.
Und Hausbesitzer lässt mich walten,
kann mir sogar Kaninchen halten.

Heut morgen noch war eines krank,
hab’s rausgeholt aus Kleiderschrank.
Hab ganzen Tag es noch bewacht
und dann am Abend notgeschlacht.
Hab gleich verkauft es wieder weiter,
an einen Freund, auch Gastarbeiter.

Sag Frau hast Du auch Zelt geflickt
vom Geld was ich Dir hab geschickt?
Halt Einsamkeit noch ein Jahr aus,
dann bring ich Geld und baue Haus.
Vermiete Zelt dann mit viel List,
an Deutsch-Familie. Die Tourist
sein ganz verrückt auf weite Welt,
will wohnen im Nomadenzelt,
will wandern viel im Wüstensand
weis nicht, wie schön ist eigenes Land.

Und nun ich mache Brief jetzt Schluss
und senden Dir ganz viele Kuss.
Bleib viel gesund, grüß alle Lieben,
sag ihnen, AliI hat geschrieben
aus Deutschland, schönstes Land der Welt,
wo man für nix tun noch kriegt Geld!

Denn wenn Vertrag ist hier am Ende,
komm ich in Heimat noch mit Rente
vorbei dann Kummer, Not und alles
Deutschland – Deutschland über alles!