Am Ende der Schlange


„Hallo, ist hier das Ende der Schlange?“
„Hab schon schlauere Fragen gehört.“
„Pah.“
„Jaaaa. Menno, bin ich genervt. ..“
„Schon okay. Ist das hier Geflügel?“
„Nein, Fisch. Geflügel ist da drüben.“
„Gut. Stehen Sie hier schon lange?“
„Sehr lange.“
„Wie lange?“
„Ich glaube, das möchten Sie lieber nicht wissen.“
„Eigentlich schon.“
„Wenn ich’s Ihnen sage, dann gehen Sie gleich wieder, und ich muss mich wieder mit dem Typen vor mir unterhalten.“
„Na und?“
„Nun, den kenne ich jetzt schon eine Weile. Und wir haben uns auseinandergelebt und eigentlich nichts mehr zu sagen.“
„Ach was. Das sehe ich aber ganz anders. Sie haben einfach aufgehört, was zu sagen!“
„Naja…“
„Aha!“
„Nun, ja, dann warten wir halt.“
„Da liegen Sie nicht verkehrt mit.“
„…“
„Was machen Sie beruflich?“
„Ich verkaufe Fensterrahmen.“
„Ein Vertreter!“
„Fensterrahmen?“
„Ja, diese aus Kunststoff.“
„Interessant. Taugt das Zeug?“
„Ich würde es sonst nicht verkaufen.“
„Mein Cousin sagt, die mit innen Holz und außen Alu sind besser.“
„Das war mal so. Heute sind die aus Kunststoff ganz genauso gut. Verziehen sich nie. 1a schalldicht, leicht zu reinigen. Denken Sie nur, dass Sie ein Kunststofffenster nie lackieren… blabla, was rede ich hier? Sie wollen mir ja sicher kein Fenster abkaufen, oder?“
„Nö. Ich steh bloß an.“
„Und was gibt’s bei Ihnen?“
„Lachs.“
„Bei uns auch.“
„Scampi.“
„Wer hat denn Sie gefragt?“
„Tja…“
„Darf ich mal durch?“
„He! Das Ende der Schlange ist da hinten! Stellen Sie sich an wie jeder andere auch!“
„Ich will mich nicht anstellen…“
„Das merkt man!“
„…ich will bloß durch.“
„Gehen Sie doch außen herum.“
„Sag mal: Geht’s noch?!?“
„He, muss das Rempeln sein?!“
„Flachwixer!“
„Also so was.“
„Lassen Sie den. Der hat bloß nix abgekriegt.“
„Wahrscheinlich… wo waren wir?“
„Lachs.“
„Ich bin ja sonst eigentlich kein Fischfreund…“
„Wem sagen Sie das. Ich mag ihn am liebsten, wenn er rechteckig und paniert ist.“
„Ja. Aber was bleibt einem derzeit übrig…“
„Wie im Osten: Anstehen für Fisch und Gefügel.“
„Sie sagen es. Und anstehen. Ist ja wie in der Zone.“
„Ich war mal in Norwegen, da gab es nur Fisch. Jeden Tag.“
„Sollen ja einen tollen Lachs haben, die Norweger.“
„Hab ich auch gedacht, aber Lachs gab es nie.“
„Wahrscheinlich wird der nur exportiert.“
„Was gab’s statt dessen?“
„Irgendwas anderes, was nach fettigem Fisch schmeckte.“
„Buah.“
„Immerhin war es meistens paniert.“
„Klingt trotzdem grauenhaft.“
„Das war es. Einmal habe ich aus Verzweiflung etwas anderes gegessen… Rentier!“
„Uäch!“
„Toll. Wie schmeckt das?“
„Wie Hirsch. Aber ich hatte ein schlechtes Gewissen, denn meine Kinder, wissen Sie, die haben so Plüsch-Rentiere…“
„Unglaublich. Da sitzen die Norweger in so einem schönen Land und wissen nicht, was es so alles für gute Sachen gibt… bzw. gab…“
„Außerdem taugt der Wildlachs ohnehin nichts.“
„Ach?“
„Ja, zu mager. Nur Zuchtlachs wird richtig fett. Die haben Fernsehen im Aquarium und kriegen nur beste Energienahrung – da gehen die Viecher auf wie Pizzahefe, und das gibt den besten Lachs.“
„Sieh mal an.“
„Ja, Übergewichtige schmecken am Besten, ha ha.“
„Wahrscheinlich daher der Spruch: Lasst dicke Lachse um mich sein.“
„Ha, ha.“
„Hö, hö.“
„Na ja, besser Rentier als… man weiß ja hierzulande überhaupt nicht mehr, was man essen kann.“
„Sie sagen es. Der BSE-GAU…“
„Schweinepest!“
„Rinderwahnsinn!“
„Hirnerweichung!“
„Tiersyph!“
„Es ist grässlich!“
„Die Politik hat versagt!“
„Genau! Alles überbezahlte Versager!“
„Mit Fallschirmen springen und bei Big Brother auftreten ist doch alles, was die können.“
„Und sich sauber die fetten Diäten erhöhen.“
„Und Werbung machen für höhere Spritpreise. Dafür haben Sie Geld!“
„Genau.“
„He! Schauen Sie mal.“
„Unglaublich!“
„Ja! Man glaubt, so eine lange Schlange, wer würde sich da noch anstellen, und trotzdem stellt sich noch jemand an!“
„Himmel, Sie haben recht. Diese Deppen! Das geht ja fast bis zum oberen Ende des Marktplatzes!“
„Und, wollen Sie immer noch die Schlange verlassen?“
„Ich hab nie auch nur daran gedacht. Andererseits geht’s bei Geflügel scheint’s schneller….“
„Das denken Sie vielleicht, Fischfresser!“
„Was? Was maulen Sie denn? Pöbeln Sie gefälligst in Ihrer eigenen Schlange!“
„Ich maule, wo und wie und in welcher Schlange es mir passt. Ich steh hier schon seit halb sieben und hab immer noch nichts! Da habe ich so Seitenrufe aus der Lachsschnittchen-Fraktion ganz besonders gern.“
„Was der sich aufführt…“
„Komm halt rüber, ha ha!“
„Grützkopf! Deine Hühner werden alle mit Fischmehl gemästet! Wohl bekommts!“
„Na und? Glaubt ihr, eure Fische kriegen was anderes als Geflügelreste?“
„Aber die kriegen kein BSE!“
„Pah, Geflügel auch nicht.“
„Aber das Flatterzeug ist voll von Antibiotika!“
„Und Amphetaminen!“
„Pah!“
„Und Hormonen! Wer Puten frisst, kriegt Titten!“
„Machen Sie sich nicht lächerlich!“
„Titten! Titten!“
„Meine Herren! Lassen Sie doch den Mann in Ruhe!“
„Schnauze, Schnalle!“
„Und stellen Sie Titten-Gequäke ein, sonst zeige ich Sie wegen sexueller Belästigung an!“
„Na gut. Entschuldigung…“
„Spielv… ja, äh, sorry. Der Stress und so.“
„Ich seh mich ja mehr so als Opfer der Ges…“
„Konnten Sie Ihre Einkäufe nicht gestern oder vorgestern erledigen?“
„Gute Frau: Sie können vielleicht tagsüber ausschlafen. Andere Menschen müssen da arbeiten!“
„Nun werden Sie mal nicht Unverschämt, Sie!“
„Und, naja, wir haben keine Gefriertruhe…“
„Pah!“
„Da kommt schon wieder einer, der durchwill.“
„Na warte, Bürscherl. Dem zeigen wir’s.“
„Grüß Gott, darf ich mal durch?“
„Schleich Dich!“
„Was?“
„He, drängeln Sie hier nicht rein!“
„Aua!“
„Arschgesicht!“
„Fick Dich! Drängler!“
„Eben. Typisch Deutsch!“
„Ja. Nie was von Sportsgeist gehört!“
„Unglaublich… Wo waren wir?“
„BSE soll’s ja jetzt auch bei Schafen geben.“
„Und bei Katzen.“
„Im Spiegel stand neulich, selbst Bio-Karotten könnten verseucht sein. Weil da diese kontaminierten Kühe drauf scheißen.“
„Der Spiegel wieder!“
„Also wenn Sie mich fragen: Bei uns gibt’s nur noch Holland-Gemüse.“
„Igitt! Das Zeug hat doch garantiert nie Erde gesehen!“
„Eben, deswegen ist es ja völlig ungefährlich.“
„Da ist was dran.“
„Ich hab auch noch ein paar alte Fleischdosen von vor fünf Jahren. Das Zeug hält ja ewig. Und ist jetzt Gold wert.“
„Meinen Sie?“
„Na ja, so als Festessen…“
„…für die Katze vielleicht.“
„Die kriegen doch ohnehin schon bessere Sachen zu futtern als wir.“
„Eben. Whiskas Edle Schmankerl! Sheba Diplomaten-Menü!“
„Die spinnen!“
„Völliger Wahnsinn!“
„Entschuldigung, stehen Sie hier…“
„Die Thais haben schon recht, wenn die ihre Hunde mampfen.“
„Kacken dann wenigstens nicht mehr auf die Strassen…“
„Ich finde ja, das wir alle ohnehin mehr Obst essen sollten.“
„Hallo, ist hier das Ende der Schlange?“
„Hab schon schlauere Fragen gehört.“