Horrortrip in der Fußgängerzone


Als junger, dynamischer (wenngleich erfolgloser) Typ hat man hin und wieder das Bedürfnis, sich neue Klamotten zuzulegen. Spätestens wenn sämtliche Pullis ausgeleiert, die meisten Shirts verwaschen oder ungewollt verfärbt, und die Lieblings-Treter bis zur Schnee-Schuh-Größe ausgelatscht sind, ist es mal wieder soweit: EINKAUFEN!!!

So raffte ich mich dieses Wochenende auf, packte meine EC-Karte ein und bewegte mich zielsicher und mit der festen Absicht, mein Geld loszuwerden, in Richtung Fußgängerzone, wo mein Konsumverlangen gestillt werden sollte. Die erste Frustration erwartete mich jedoch schon im erstbesten Schuh-Laden: Die Produktion der Schuhe (eben genau jener Schuhe), die ich wollte, war eingestellt worden! — EIN SCHOCK —

Nun, es gab zwar ähnliche dieser Marke und diverse Plagiate; die schauten aber alle bescheuert aus, oder irgendwo prangte (natürlich gut sichtbar) irgend ein hässliches Firmen-Logo. Nachdem ich sämtliche Schuhläden der Stadt abgegrast hatte und immer nur den gleichen Müll zu Gesicht (respektive zu Fuß) bekam, stellte ich sogar schon Überlegungen an, ob es möglich wäre, die auf den Schuhen aufgestickte Logo-Scheiße wieder zu entfernen…

Eigentlich konnte ich mich mit keinem einzigen Modell anfreunden: Anscheinend werden seit zwei Jahren nur mehr Schuhe produziert, deren Sohlen größer und höher sind, als der komplette Schuh. Wer – in Gottes Namen – rennt freiwillig mit diesen Bremsklötzen durch die Gegend??? Na, ich auf jeden Fall nicht! Und wenn ich mir Jutesäcke um die Füße binden muss! Na gut, dann eben nicht… Ich sprach mir Mut zu für mein nächstes Vorhaben, nen Sweater oder nen Strickpulli käuflich zu erwerben. Natürlich wurde ich auch hierbei herb enttäuscht: Sowas gibt es einfach nicht! Nirgends! Niemals! Undenkbar! Ausser man ist dazu bereit, mit Sprüchen wie “Athletic Hero Fighters” oder “Cool Warez Fashion” auf der Brust in die Disco zu gehen. — GRAUSAM —

Was des Thema Strickpulli betrifft, habe ich schon nach dem zweiten Lappen, den ich in Händen hielt, aufgegeben: Erstens fallen die Dinger bereits beim Ansehen auseinander, und zweitens ist es anscheinend zur Zeit schick, die Bündchen an Kragen und Ärmeln einfach wegzulassen. Stattdessen ringelt sich die Wolle an besagten Stellen unschön ein. Nicht mit mir, lieber Einzelhandel!!! Nicht, dass ich nicht bereit wäre, für ne anständige Oberbekleidung, nen Batzen Geld liegenzulassen, aber wofür bitteschön? Ich drück doch nicht einen Haufen Taler ab, nur um für die Herrschaften “Adihasch”, “Mike” und wie sie alle heißen, auch noch Werbeplattform zu spielen! Eigentlich müssten solche Firmen dafür zahlen, wenn jemand mit ihrem Firmen-Emblem auf dem Sweatshirt rumrennt. Tief in mir hege ich schon lange den Verdacht, dass es sowas wie ne Geheimorganisation geben muss. Irgendwas wie damals die Freimaurer… Wenn man Mitglied ist, bekommt man auch vernünftige Klamotten.

Das stelle ich mir dann ungefähr so vor:

Ich: Guten Tag, ich möchte mir ein schönes Sweatshirt kaufen (unbemerkt zeige ich der Verkäuferin meinen Mitgliedsausweis…)

Sie: Oh, guten Tag. Wie ich sehe, sind Sie mit unserem “normalen” Sortiment nicht zufrieden. Bitte folgen Sie mir in unsere Lagerräume.

Ich: Gerne… Haben Sie einen beige-farbenen Sweater mit schwarz-abgesetzten Bündchen, mit Kapuze, aber ohne Eingrifftaschen am Bauch und OHNE Firmenlogo – in XXL?

Sie: Aber natürlich, wir haben hier alles…

Jäh werde ich auf dem Nachhause-Weg aus meinen Wunschträumen gerissen, denn auf der gegenüberliegenden Straßenseite kommt mir ein ca. 25-jähriger Kerl entgegen, der nen sehr schönen Strickpulli anhat – seine Schuhe sind auch nicht schlecht… Kurz entschlossen renne ich zu ihm hin, überwältige ihn und reiße ihm sämtliche Kleider vom Leib. Ich nehme den Mann in die Mangel, drücke ihn zu Boden und quetsche sein Gesicht auf den dreckigen Asphalt. Nur unter Schmerzen und dem Weinen nahe gibt er sein Geheimnis preis, wo er – die von mir so begehrten – Kleidungsstücke her hat: “Die Schuhe *schluck* habe ich mir schon vor drei Jahren *heul* in Amerika gekauft. Und den Pulli hat mir *würg – schniff* meine Oma zu Weihnachten gestrickt.”
Diese Zeilen schreibe ich aus dem hiesigen Gefängnis (was musste dieser Idiot auch Strafanzeige gegen mich erstatten…). Die Gefängnis-Kleidung, die sie den Insassen hier geben, ist gar nicht so schlecht…