Brief aus dem Oberland


BRIEF AUS DEM OBERLAND
„Lieber Sohn“, schreibt eine oberländer-Mutter, „ich schreibe Dir, damit Du weisst, dass ich noch lebe. Ich schreibe langsam, weil ich weiss, dass Du nicht schnell lesen kannst. Wenn Du wieder einmal nach Hause kommst, wirst Du unsere Wohnung nicht mehr erkennen. Wir sind nämlich um- gezogen.

Sogar eine Waschmaschine war schon in der neuen Wohnung. Ich habe ein Dutzend Hemden hineingegeben und zog an der Kette, die Hemden habe ich allerdings nicht wiedergesehen. Vater hat die Stelle gewechselt. Er hat jetzt 500 Leute unter sich. Er mäht den Friedhofrasen. Und Deine Schwester hat gestern ein Baby bekommen. Da wir nicht wissen, ob es ein Junge oder ein Mädchen ist, kann ich Dir nicht schreiben, ob Du jetzt Onkel oder Tante geworden bist.

Letzte Woche hat es nur siebenmal geregnet, zuerst drei Tage, dann vier. Es hat so gedonnert, dass unser Huhn viermal das- selbe Ei gelegt hat. Ich schicke Dir auch noch die Weste, die Du sicher vermissen wirst. Die Knöpfe habe ich abgetrennt, um das Gewicht und das Porto zu vermindern. Sie stecken in der oberen Tasche rechts.

Am Dienstag sind wir alle gegen Erdbeben geimpft worden.

In Liebe: Deine Mutter

PS: Ich wollte Dir noch Geld mitschicken, aber ich hatte den Brief schon zugeklebt.