Erlebnis in einem Biergarten


Es war in einem Münchner Biergarten, da trat ein Fremder an den Tisch eines der dort Sitzenden, den wir einmal Balser nennen wollen, lupfte höflich seinen Hut und bat um eine Unterschrift. Es ginge da um einen Aufruf des Inhalts, daß Norwegen nicht türkisch werden dürfe, wenn der Herr bitte hier unterschreiben würde.

„Aber wieso soll Norwegen denn türkisch werden?“ fragte Herr Balser erstaunt.

„Das solls ja gerade nicht werden. Daher mein Aufruf. Wenn Sie also Ihre Unterschrift…“

„Sie verstehen mich nicht ganz. Gibt es denn irgendwelche Anzeichen dafür, daß Norwegen türkisch werden könnte?“

„Wenn hier jemand jemanden nicht versteht, dann sind ja wohl Sie es“, antwortete der Fremde, nun schon eine Spur lauter. „In meinem Aufruf steht nicht, daß Norwegen nicht türkisch werden kann, sondern daß es nicht türkisch werden darf. Und ich hoffe doch sehr, daß auch Sie dieser Meinung sind…“ „Ich?“

„Oder wollen Sie, daß Norwegen türkisch wird? Wollen Sie, daß die türkische Flotte Norwegen heimsucht? Daß über Oslo der Halbmond weht? Daß die wackeren Fischer der Lofoten in Zukunft Allah huldigen müssen? Soll das alles geschehn? Ja oder nein?“

„Nein“, sagte Herr Balser, „natürlich nicht, aber…“ „Na, dann sind wir ja einer Meinung! Wenn Sie jetzt also hier Ihren Namen…“

„Aber – und jetzt lassen Sie mich gefälligst ausreden – aber wie kommen Sie eigentlich darauf, daß die türkische Flotte Norwegen heimsuchen könnte? Erklären Sie mir das doch mal bitte!“

„Die Flotte?“ Für einen Moment schwieg der Fremde verdutzt, doch dann hellte sich sein Gesicht auf. „Ach so! Die habe ich doch nur erwähnt, um zu verdeutlichen, wie es aussehen könnte – könnte, nicht müßte -, wenn Norwegen türkisch wird. Denn der Türke kann natürlich auch mit seiner Landstreitmacht anrücken. Via Russland. Finnland und dann über Lappland… Aber…“ „Aber?“

„Aber ob der Russe das gestattet? Ziemlich unwahrscheinlich – oder?“

„Sehr unwahrscheinlich“, bestätigte Herr Balser. „Aber noch unwahrscheinlicher erscheint es mir, daß auch nur irgendein Türke auch nur die geringste Absicht hat, Norwegen zu besetzen. Und daher…“

Doch er kam nicht dazu, diesen Satz zu vollenden. „D accord!“ rief der Fremde mit Nachdruck. „Völlig d accord! Die Türken – ich bitt Sie! Was sollen die denn in Norwegen? Wo sie es doch so schön warm in der Türkei haben! Halten Sie da mal die eisigen Fjorde dagegen, da sieht man doch sofort…“ „Mein Herr!“

„Ja?“ fragte der Fremde.

„Mein Herr, wenn Sie selber zugeben, daß die Türken nicht die Absicht…“

„Nicht die geringste Absicht!“

„Nicht die geringste Absicht haben, Norwegen zu besetzen – was soll dann Ihr Aufruf?“

Der Fremde lächelte. „Ich dachte, das sei nun endlich klar geworden. Sie haben selbst zugegeben, daß Norwegen nicht türkisch werden darf. Die Norweger denken sicher ebenso. Die Türken sind, wie wir übereinstimmend feststellten, derselben Meinung, das heißt, daß jeder, aber auch jeder, der seine fünf Sinne beisammen hat, meinen Aufruf unterstützen muß. Wenn Sie also bitte Ihren Georg Wilhelm auf diese gestrichelte Linie…“ „Nein.“

„Nein? Dann wollen Sie also, daß unser germanisches Brudervolk unter der Willkür asiatischer Steppenbewohner…“ „Nein!“

„Na bestens! Bitte, hier ist mein Kugelschreiber, ja… da, auf die gestrichelte Linie… danke schön, Herr… Herr Balser!“ Und mit einem freundlichen Kopfnicken verabschiedete sich der Fremde, um sogleich an einem Nebentisch auf ein älteres Ehepaar einzureden. „Norwegen“, hörte Herr Balser noch und „Der Türke“ …